Nach dem Beinahe-Putsch hat Putin den Söldnerchef Jewgeni Prigoschin kaltgestellt. Doch auf dessen kampferprobte Truppe will er nicht verzichten. Mittlerweile sind die Kämpfer in Belarus eingetroffen. Die potenzielle Mission der Männer macht ein Nato-Land schon nervös.
Ein Feldbett in einem schlichten Zelt, darauf sitzend ein Glatzkopf in Unterhose, der ausdruckslos in die Kamera winkt – dieses Bild des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin ist das einzige Lebenszeichen des Kurzzeit-Aufständischen, das die Welt seit Wochen gesehen hat. Veröffentlicht hat es vor wenigen Tagen ein Telegramkanal aus dem Umfeld der Söldnergruppe Wagner.
Prigoschins offizieller „Pressedienst“, der über Monate hinweg Audio-, Video- und schriftliche Tiraden des Wagner-Chefs in die Welt posaunte, ist seit dem 26. Juni verstummt. Seitdem wird gerätselt, was mit Prigoschin nach dessen abgebrochenen „Marsch der Gerechtigkeit“ auf Moskau genau geschehen wird, und wo er sich überhaupt aufhält..
Putins Modell der Privatarmeen ist gescheitert
Der Aufstand der Wagner-Truppe hatte frankensteinhafte Züge – es war die Erhebung eines selbsterschaffenen Monsters. Wladimir Putin hat die Entstehung von Privatarmeen in Russland über viele Jahre gefördert, und die Wagner-Truppe war die größte und bekannteste von ihnen.
Für Putin war das ein lange vorteilhaftes Konstrukt. Eine hochtrainierte Söldnertruppe wird in internationalen Konflikten und Bürgerkriegen wie in Libyen oder Mali und anderen Staaten eingesetzt und stärkt so Russlands Einfluss und strategische Möglichkeiten. Zugleich konnte Russland bestreiten, ein Beteiligter in diesen Konflikten zu sein.
Für die Wagner-Truppe wurde ein lukratives Geschäftsfeld geschaffen, das ihr unter anderem in den Konfliktgebieten Zugang zu Rohstoffen wie zum Beispiel Gold verschaffte. Der Krieg gegen die Ukraine machte aus der Wagner-Truppe einen innenpolitischen Faktor in Russland. Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin rekrutierte Kämpfer in Häftlingslagern und führte den Einsatztruppen in der Ukraine zusätzliche Kräfte zu.
Seine eigenen Kämpfer erwiesen sich in der Ukraine häufig als höher motiviert, und Prigoschin ließ das die Öffentlichkeit wissen. Ob die Angaben immer stimmten, steht auf einem anderen Blatt, die russische Armeeführung bezweifelte sie wiederholt öffentlich.
Da aber war Prigoschin schon kaum noch zu kontrollieren, und der Konflikt mit der Armeeführung um Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerrasimow um Ausrüstung und Unterstützung eskalierte seit dem Herbst zusehends – bis hin zu angeblichen Angriffen der Armee auf Wagner-Soldaten und schließlich dem Aufstand vom Samstag.
Der Aufbau und Einsatz der Privatarmeen beruht auf dem Vertrauen in ihre Loyalität und Unterordnung in ein bestehendes System. Wie sehr sich aber solche militärischen Gruppen verselbstständigen können und dann das System gefährden, das sie geschaffen hat, hat spätestens der gestrige Samstag deutlich gemacht.