Wer ohne Ticket mit Bus oder Bahn fährt, muss mit einer Geldstrafe rechnen – und im schlimmsten Fall sogar ins Gefängnis. Die Stadt Wiesbaden will auf Ersatz-Freiheitsstrafen nun verzichten. Der Verband der Verkehrsunternehmen protestiert.
Fahren ohne gültigen Fahrschein ist eine Straftat, für die man juristisch belangt werden kann. Genau darauf soll das städtische Verkehrsunternehmen ESWE aus Wiesbaden künftig verzichten. Hintergrund ist ein Anfang November angenommener Antrag von Grünen, SPD, Linke und Volt, der einen “Verzicht auf einen Strafantrag bei der Erschleichung von Beförderungsleistungen” fordert.
Begründet hat das Wiesbadener Bündnis seine Forderung mit der unverhältnismäßig hohen Strafe fürs Schwarzfahren. Da das Delikt häufig von armen Menschen begangen werde, müsse häufig anstatt einer Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden, wie es im Antrag lautet.
Die Regelungen zum erhöhten Beförderungsentgelt sollen demnach aber bestehen bleiben. Werden Passagiere ohne Ticket in den Bussen des ESWE erwischt, sollen sie auch weiterhin eine Strafe in Höhe von 60 Euro bezahlen müssen.
Weniger Einnahmen für Verkehrsunternehmen
Bei ESWE Verkehr ist man davon wenig begeistert: Den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nehme man “mit Bedauern” zur Kenntnis, teilte das Unternehmen dem hr schriftlich mit. “Es droht die Gefahr, dass sich mehr Fahrgäste als bislang den Kauf von Fahrkarten ersparen, was in Einnahmeverlusten münden kann.”
Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sieht die Entkriminalisierung grundsätzlich kritisch: Durch das Fahren ohne Fahrschein entstünden bei den Verkehrsunternehmen bundesweit jährlich Einnahmeverluste in Höhe von etwa 300 Millionen Euro, die durch ehrliche Kunden oder Steuerzahlen ausgeglichen werden müssten, teilte ein Verbandssprecher mit. Die abschreckende Wirkung eines drohenden Strafantrags erachte man daher als “wichtig und sinnvoll”.
Die Stadt Frankfurt will vorerst nicht nachziehen, wie das Mobilitätsdezernat mitteilte. “Wir sehen den Vorstoß aus Wiesbaden eher kritisch, weil wir uns ein einheitliches Vorgehen – mindestens gemeinsam mit unseren Partnern im RMV, aber am liebsten bundesweit – erhoffen”, hieß es vom Dezernat.
Frankfurt: Flickenteppich vermeiden
Zudem würde eine Frankfurter Regelung den Angaben nach nur die städtischen Verkehrsmittel, also U-Bahn, Straßenbahn und Stadtbusse, abdecken. In S-Bahnen sowie Regionalbussen und -zügen müssten Fahrgäste ohne gültiges Ticket weiterhin mit einer Strafanzeige rechnen. Es gelte einen Flickenteppich zu vermeiden, teilte das Dezernat mit.
Zudem ist in Frankfurt die Schwelle dafür, dass es überhaupt zu einer Anzeige kommt, den Angaben nach relativ hoch. Demnach müsse eine Person innerhalb von 90 Tagen insgesamt drei Mal ohne Fahrschein angetroffen werden, darüber hinaus volljährig sein, nicht unter Betreuung stehen und einen festen Wohnsitz haben.