Nachdem das Cannabis-Gesetz nun auch den Bundesrat passiert hat, wird Kiffen legal. In der hessischen Politik fallen die Reaktionen höchst unterschiedlich aus. Jubel herrscht dagegen bei den Cannabis-Clubs.
Die Teil-Legalisierung von Cannabis ist in Hessen auf ein geteiltes Echo gestoßen. Bemerkenswert deutlich fiel die Kritik von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein aus. Der CDU-Politiker sprach von einer “Katastrophe für Deutschland” und befand: “Die auf uns zukommende Welle ist vollständig unverantwortbar. Ich reiche nicht die Hand für dieses Gesetz und setze mich für Cannabis mit niemandem an einen Tisch. Es gibt niemanden aus einem Expertenkreis, weder aus Polizei, Medizin oder Justiz, der das gutheißen kann.”
Der Bundesrat hatte am Freitag in Berlin das vom Bundestag beschlossene Gesetz passieren lassen. Damit wird zum 1. April Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben für den Eigenkonsum erlaubt. Im Gegensatz zum erzürnten Ministerpräsident Rhein begrüßte der neue Vize-Regierungschef Kaweh Mansoori von der SPD die Cannabis-Entscheidung.
Enthaltung von Hessen bei Abstimmung
Hessen hatte sich angesichts der Uneinigkeit der schwarz-roten Landesregierung im Bundesrat bei der Frage enthalten, ob für das Cannabis-Gesetz der Vermittlungsausschuss angerufen werden soll. Für eine Anrufung des Ausschusses gab es in der Länderkammer keine Mehrheit.
Nur Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland stimmten dafür, das Gesetz zu Nachverhandlungen noch einmal in das sogenannte Kompromissfindungsgremium von Bundestag und Bundesrat zu schicken. Alle anderen Bundesländer bis auf Sachsen enthielten sich. Ein Vermittlungsverfahren zwischen Bund und Ländern hätte das Inkrafttreten des Gesetzes verzögert.
Hessens stellvertretender SPD-Landesvorsitzender Mansoori, seit dieser Legislaturperiode Wirtschaftsminister, erklärte: Der Beschluss im Bundesrat markiere “eine wichtige Kehrtwende in der Drogenpolitik Deutschlands”.
Der bisherige Umgang mit Cannabis habe sich nicht bewährt. “Menschen konsumieren teils verunreinigte Stoffe in der Illegalität. Sie wurden bislang in die Hände von kriminellen Dealern getrieben, die keinen Halt vor Schulen und Jugendlichen machen.”
Gesetz soll Konsumenten entkriminalisieren
Yanki Pürsün von der oppositionellen Hessen-FDP begrüßt das Cannabis-Gesetz. “Es ist ein wichtiger Schritt, um Menschen zu entkriminalisieren, die niemandem schaden.” In der Drogenpolitik gebe es andere große Herausforderungen, denen sich die Politik widmen sollte. Probleme seien etwa “richtig harte Drogen wie zum Beispiel Crack”.
Auch Marcus Bocklet, drogenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, nennt die Entscheidung einen “wichtigen Schritt” nach jahrzehntelangen Diskussionen. “Damit wird endlich ein unideologischer und pragmatischer Weg beschritten, der dazu führen wird, dass Konsument*innen weniger Risiken ausgesetzt sind, die Justiz langfristig weniger belastet und der Schwarzmarkt eingedämmt wird.”
Poseck: “Politischer Fehler”
Kritik kam hingegen von Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU): “Das Vorhaben bleibt aus meiner persönlichen Sicht ein politischer Fehler. Ich rechne damit, dass unser Land unsicherer wird, so zum Beispiel im Hinblick auf die Gesundheit, vor allem junger Menschen, im Hinblick auf die Bekämpfung der Kriminalität und im Hinblick auf die Sicherheit im Straßenverkehr.” Er hatte sich bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kritisch geäußert.
Ablehnung kam neben dem Innenministerium auch aus weiteren von der CDU geführten Ministerien. Hessens Kultusminister Armin Schwarz befürchtet erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und eine Drogenwelle auf Hessens Schulen zukommen.
Staatsanwaltschaften müssen Altfälle prüfen
Kritik auch aus der Justiz: Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis stellt die Staatsanwaltschaften in Hessen vor große Herausforderungen. Sie müssen mehr als 190.000 eigentlich schon abgeschlossene Altfälle erneut unter die Lupe nehmen, wie Georg Ungefuk von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sagte.
Denn das neue Gesetz sieht vor, dass rechtskräftige und noch nicht vollständig vollstreckte Strafen für Delikte, die dann nicht mehr strafbar sind, erlassen werden. Bis das Cannabis-Gesetz in Kraft tritt, muss die Staatsanwaltschaft also Altfälle überprüfen, die nach dem neuen Recht nicht zu Strafen hätten führen dürfen.
Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau aufmachen dürfen. Tim Barton vom Cannabis-Club aus Gießen sagte: “Wir sind sehr erleichtert und zufrieden. Denn zweitweise waren wir besorgt, dass das Gesetzt nach der Kritik in den vergangenen Wochen nicht durchkommt. Doch nun haben wir Planungssicherheit und wissen, dass die ganze Arbeit nicht umsonst war.”
Barton will den Verein nun eintragen lassen und eine Lizenz bei der Stadt für den Cannabis-Anbau beantragen. “Wir sind schon in Gesprächen mit dem Bürgermeister”, sagte Barton. Derzeit werde noch nach einer Halle gesucht.
Am 1. Juli soll mit dem Anbau begonnen werden. Das Interesse an einer Mitgliedschaft im Verein sei groß. Es gebe eine Liste mit 1.500 Personen. Da pro Verein nur 500 Menschen aufgenommen werden dürfen, erwägt Barton im Laufe der Zeit mehrere Vereine anzumelden.
Clubs sehen auch Herausforderungen
Der Cannabis Social Club Wiesbaden begrüßte das Votum im Bundesrat als signifikanten Fortschritt in der Drogenpolitik. “Diese Entscheidung eröffnet neue Wege für einen verantwortungsvollen und regulierten Umgang mit Cannabis, der den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Gemeinschaft in den Vordergrund stellt”, sagte der Vorstandsvorsitzende Fynn von Kutzschenbach dem hr.
Doch mit der Legalisierung gingen auch eine Reihe von Herausforderungen einher. “Wir erwarten als Verein eine enge Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Behörden, um sicherzustellen, dass die Umsetzung des Gesetzes effektiv und im Einklang mit den Zielen des Gesundheitsschutzes und der Prävention erfolgt.”
Die Frage, wie mit dem bestehenden Schwarzmarkt umgegangen werde und wie effektiv die neuen Regelungen diesen eindämmen können, bleibe von großer Bedeutung, so von Kutzschenbach. Die Cannabis Social Clubs sollen Raum für Austausch und Gemeinschaft bieten und auch als Vermittler und Aufklärer fungieren, wie er sagte.