Allein die Stadt Gießen hatte bei der Bremer Privatbank Greensill zehn Millionen Euro angelegt. Das Geld steht ihr nach der Pleite der Bank im Jahr 2021 rechtlich zu, es sind offene Forderungen.
Vor einer Woche hat die Stadt bekannt gegeben, dass sie diese Forderungen nun verkauft hat. Den Schritt begründet die Stadt damit, dass sich das Insolvenzverfahren in die Länge ziehe und der Ausgang zudem ungewiss sei.
Sieben Millionen Euro Steuergelder verloren
Deshalb hat Gießen nun ein Verlustgeschäft in Kauf genommen, denn durch den Verkauf der offenen Forderungen hat die Stadt nach eigenen Angaben zwar 2,8 Millionen Euro eingenommen. Das ist aber nur etwa ein Viertel dessen, was sie einst in die Bank gesteckt hatte. Anders gesagt sind damit über sieben Millionen Euro Steuergelder für die Stadt definitiv verloren.
Die offenen Forderungen seien auf Finanzinvestoren übergegangen, die den Ausgang des Insolvenzverfahrens abwarten und darauf spekulieren, dass am Ende mehr dabei rauskommt, als sie jetzt bezahlt haben. Welche Investoren das sind, lässt die Stadt offen.
Fünf weitere hessische Kommunen betroffen
Damit zieht die erste hessische Kommune einen Schlussstrich unter die Greensill-Affäre, nachdem die Pleitebank vor über drei Jahren Insolvenz angemeldet hat. Neben Gießen haben dort noch fünf weitere hessische Kommunen Geld investiert, nämlich Eschborn, Schwalbach, Hanau, Wiesbaden und Schauenburg. Insgesamt haben sie nach eigenen Angaben bei Greensill rund 87 Millionen Euro angelegt.
Kein Schutz für kommunale Geldeinlagen
Anders als viele andere Banken hatte die Bremer Bank damals keine Negativzinsen verlangt, sondern auf Geldanlagen im Gegenteil eine kleine Rendite geboten. Als die Aufseher das Finanzinstitut aufgrund drohender Überschuldung schlossen, griffen die üblichen Sicherungssysteme wie die gesetzliche Einlagensicherung, um das Geld von Privatleuten zu schützen. Die Geldanlagen von Kommunen sind bei solchen Privatbanken dagegen nicht abgesichert.
Auch Wiesbaden überlegt Verkauf
Auch die Stadt Wiesbaden hatte über eine Tochterfirma 20 Millionen Euro bei Greensill geparkt. Finanzreferent Marcus Giebeler betont gegenüber dem hr, die offenen Forderungen habe die Stadt bisher nicht verkauft.
Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) könnte sie allerdings genau das planen. Auf einer nichtöffentlichen Sitzung hat der Finanzausschuss Mitte März offenbar entschieden, für einen Verkauf erste Angebote von möglichen Käufern einzuholen. Selbst wenn so ein Deal zustande kämen, dürften aber auch hier am Ende Millionen Steuergelder schlicht verloren sein.
Eschborn wartet das Insolvenzverfahren ab
Etwas zögerlicher ist man in Eschborn. Die Stadt hat nach eigenen Angaben rund 35 Millionen Euro in Greensill gesteckt. Es hätten zwar schon Interessenten Angebote abgegeben, um die offenen Forderungen zu erwerben.
Der Magistrat habe das aber bisher nicht weiterverfolgt und warte das Insolvenzverfahren ab. Wenn dieses allerdings Jahre dauere, könne es womöglich doch notwendig werden, auf die Angebote einzugehen.
Ermittlungen gegen Schwalbacher Bürgermeister
Personelle Konsequenzen in Folge des Greensill-Debakels gab es bisher kaum. Weil der Schwalbacher Bürgermeister und Kämmerer Alexander Immisch (SPD) für seine Kommune 19 Millionen Euro bei der Bremer Bank angelegt hatte, hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt zwar zwischenzeitlich wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn ermittelt.
Doch dieses Verfahren sei Ende letzten Jahres eingestellt worden, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft nun mit. Es erscheine ausgeschlossen, dass Immisch als Laie die wirtschaftliche Schieflage von Greensill gekannt habe. Und es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er es billigend in Kauf genommen habe, dass der Stadt durch die Geldanlage ein Schaden entstehe.
Neue Vorschriften als Lehre aus der Greensill-Pleite
Vorgeworfen worden war Bürgermeister Immisch darüber hinaus, dass er die Geldanlage getätigt habe, obwohl er es gar nicht gedurft hätte. Denn es habe einen Beschluss des Magistrats gegeben, wonach Geldanlagen bei Privatbanken ausgeschlossen seien, eben weil das Geld der öffentlichen Hand dort nicht abgesichert sei. Das sei ihm, als er neu im Amt war und das städtische Geld anlegt habe, nicht bekannt gewesen, hatte der Bürgermeister selbst beteuert. Eine Richtlinie zum Umgang mit Banken gab es nicht.
Kommunen mit neuen und schärferen Richtlinien
Auf der Basis des Magistratsbeschlusses hat Schwalbach mittlerweile eine solche Richtlinie zur Geldanlage erarbeitet. Die Stadt Gießen wiederum hat ihre bestehende Richtlinie verschärft.
Beide Kommunen wollen sich demnach künftig bei Geldanlagen auf bestimmte Kreditinstitute wie etwa Sparkassen oder Genossenschaftsbanken beschränken, weil die sich im Falle einer Pleite untereinander stützten. Von Privatbanken wolle man dagegen in Zukunft die Finger lassen.
Experte: Kämmereien müssen sich besser auskennen
Eine Vorgehensweise, die Thomas Heidorn von der Frankfurt School nicht befürwortet. “Auch eine Sparkasse ist nicht immer der sichere Hafen, die Kämmerer müssen immer zwingend prüfen, wo sie Geld anlegen”, meint der Bankenexperte. Im Gegenzug dazu gebe es auch sehr gute private Banken. Letztlich komme es darauf an, wie gut ein Finanzinstitut finanziell dastehe und wie zahlungskräftig es sei.
Um zu beurteilten, wie eine Bank aufgestellt ist, sollten die Kämmerer laut Bankenexperte Heidorn geschult und personell und technisch besser ausgestattet werden.
Innenministerium: Sicherheit vor Gewinn
Das hessische Innenministerium empfiehlt als kommunale Aufsicht darüber hinaus, bei Geldanlagen Risiken zu vermeiden, selbst wenn das den Ertrag mindern sollte.
Aber schließlich handele es sich um Steuergeld, heißt es dort. “Da sollte die Gewinnmaximierung nicht im Mittelpunkt stehen, die Geldanlagen sollten in erster Linie sicher sein.”