Der Abend des 16. August 2023 hat sich ins Gedächtnis von Mathias Bartsch eingebrannt. Diesen schwülen Sommertag und die darauffolgende Nacht hat der Mann aus Oberursel (Hochtaunus) in schlimmer Erinnerung. Schwere Unwetter fegten über den Taunus und das Rhein-Main-Gebiet hinweg. Starkregen überschwemmte Straßen und überflutete Keller.
Die Feuerwehr im Rhein-Main-Gebiet war im Ausnahmezustand. Bis zu 60 Liter Regen fielen pro Stunde und Quadratmeter. Wegen der starken Niederschläge standen in Frankfurt zeitweise auch das Rollfeld am Flughafen und der Südbahnhof unter Wasser. Die Feuerwehren in der Region mussten zu hunderten Einsätzen ausrücken. Allein in Oberursel, wo der Urselbach über die Ufer trat, waren es rund 200, wie die Stadt bilanzierte.
Auch bei Mathias Bartsch im Oberurseler Ortsteil Weißkirchen rückte die Feuerwehr an. Fünf Stunden pumpten die Helfer den Keller seines Hauses aus. Die untere Etage stand bis zu einer Höhe von 1,65 Metern unter Wasser, wie Bartsch berichtete. Er war erleichtert, dass die Wassermassen verschwanden. “Die Feuerwehr hat hervorragend gearbeitet”, sagt er dankbar im Rückblick.
Bartsch hatte danach dennoch Chaos im Keller. Der Sachschaden summierte sich nach eigenen Angaben wegen teurer Elektronik und verseuchtem Wasser auf mehrere zehntausend Euro. Und obendrauf kam kurz vor Ostern, sieben Monate nach dem Unwetter, noch ein Gebührenbescheid. Die Stadt Oberursel stellte ihm für den Feuerwehr-Einsatz fast 1.500 Euro in Rechnung.
Anwohner sollen bis zu 1.500 Euro zahlen
Bartsch war wie vor den Kopf gestoßen. Dass man für so etwas zahlen muss, hatte er noch nie gehört. Und er hatte die Helfer extra noch gefragt, ob er nun mit Kosten rechnen müsse. Doch die waren nicht der Meinung, dass er dafür zur Kasse gebeten werde. Es sei ja nicht selbst verschuldet oder fahrlässig gewesen.
Doch diese Einschätzung beim Einsatz erwies sich als Trugschluss. Bartsch und zahlreiche weitere Anwohner bekamen Gebührenbescheide zwischen 300 und 1.500 Euro. Knapp 70 Haushalte sind betroffen, wie die Stadt auf hr-Anfrage mitteilte.
Pech gehabt: Es war kein Katastrophenfall
Doch zum Leidwesen von Bartsch und anderen Betroffenen stellte sich heraus: Die Bescheide sind rechtens. Bei dem Hochwasser wurde vom Landrat im Namen der Behörden kein Katastrophenfall in Folge eines Naturereignisses ausgerufen. Das ist entscheidend.
Es handelte sich nur um technische Hilfe nach Starkregen. Und für solche Fälle sind Feuerwehr-Einsätze gebührenpflichtig. Das geht aus dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) hervor. Auf dieses beruft sich die Stadt.
Zudem gibt es ein gemeinsame Satzung des Hessischen Städtetages, des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB) und des Landesfeuerwehrverbandes Hessen. Dort sind die Gebühren geregelt. Und über diese Gebühren wird die Feuerwehr zum Teil finanziert. Der HSGB erklärte auf Anfrage: Gebühren zahlen fürs Keller-Auspumpen sei die Regel.
Vom Rechnungshof gerügt
Bei einem ähnlichen Vorfall mit Starkregen und Überschwemmungen im September 2022 hatte die Stadt zunächst keine Gebührenbescheide verschickt. Dafür wurde die Verwaltung vom Rechnungshof sogar gerügt. Klar war also: Die Kosten müssen eingetrieben werden. Um mehr Klarheit für die Bürger zu schaffen, hat die Stadt für den 30. April zu einer Info-Veranstaltung eingeladen.
Angeraten scheint, dass sich die Bürger für Hochwasser nach Starkregen künftig selbst wappnen sollten. Peter Cornel von der Lokalen Oberurseler Klimainitiative ruft zur Prävention auf: “Schutzmaßnahmen sind sinnvoll. Wenn das Hochwasser von oben kommt, also auf der Straße läuft, muss man zusehen, dass man nicht die tiefste Stelle ist.”
Cornel, früher Professor für Abwassertechnik an der TU Darmstadt, rät: Eingänge und Kellergeschosse durch Mäuerchen am Lichtschacht schützen. “Es gibt auch wasserdichte Hochwasserschutzfenster und automatisch schließende Klappen für Türen.”
Oberursel rät: Vorsichtsmaßnahmen ergreifen
Auch die Stadt Oberursel rät ihren Bürgern, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Denn lokal begrenzte Wetterphänomene wie Starkregen würden laut Meteorologen in Zukunft wohl öfter vorkommen. Durch den Klimawandel und die Extremwetter-Ereignisse werde das Thema für alle relevanter – für Kommunen und Bürger.
Der Schutz des eigenen Gebäudes sei Sache des Eigentümers, betonte die Stadt. Mit geringen baulichen Veränderungen könne man Gebäude “hochwassersicherer” machen, etwa durch wasserableitende Schwellen, wasserdichte Kellerfenster, Sickerschächte oder die Installation von Rückschlagklappen.
Auch die Stadt will vorsorgen
Die Stadt will aber auch vorsorgen. Es sollen Freiflächen geschaffen werden für den Hochwasserabfluss. “So können wir die Abflussspitzen abmildern und Hochwassergefahren vorbeugen”, erklärte eine Stadtsprecherin. Zudem habe man einen Maßnahmenplan und ein Klimaanpassungskonzept beschlossen.
Derzeit umgesetzt würden Maßnahmen zur dezentralen Versickerung im Wald. Es würden auch Areale geplant, ausgewiesen und errichtet, in denen sich das Hochwasser ausbreiten kann, ohne bebaute Ortslagen zu gefährden, wie es hieß.
Diese Zukunftspläne kommen für die Betroffenen des August-Hochwassers zu spät. Doch einige hatten Glück, dass sie Versicherungen hatten mit einem Schutz vor Elementarschäden wie Überschwemmungen. Die Versicherungen übernahmen einen Großteil der Schäden und die Gebühren der Feuerwehreinsätze.
So war es auch bei Mathias Bartsch – dennoch hofft er von Unwetter-Folgen künftig verschont zu bleiben. Zur Vorbeugung vor Überschwemmungen hat er mittlerweile ein Hochwasser-Schott am Hofeingang eingebaut.