Das Nadelöhr für die Regionaltangente West (RTW) ist der Bahnhof Frankfurt-Höchst. Dort muss ein Tunnel gebaut werden. Denn die zusätzlichen RTW-Bahnen müssen in vier Jahren, wenn die Stadtbahn fertig sein soll, neben all den S-, Regional- und Fernbahnzügen auch noch durch den Bahn-Knotenpunkt geschleust werden.
Verschiebt sich der Baubeginn für diesen Tunnel, verrutscht der ganze Zeitplan für die Regionaltangente. Erst Mitte März hatten die Macher mitgeteilt, jetzt Tempo machen zu wollen.
Rot-Signal von der Deutschen Bahn
Deshalb war der Brief, den RTW-Geschäftsführer Horst Amann Ende März bekam, ein herber Schlag. Die Deutsche Bahn teilte Amann mit: Alle Vorarbeiten der RTW am Bahnhof Frankfurt-Höchst seien mit “sofortiger Wirkung” untersagt. Sie könnten erst wieder aufgenommen werden, wenn sechs Bedingungen erfüllt seien.
Dazu gehört vor allem: ein “realistischer, belastbarer Terminplan”, eine von der Deutschen Bahn freigegebene Entwurfsplanung sowie der notwendige Planfeststellungsbeschluss. Bei Zuwiderhandlung behalte man sich juristische Schritte vor.
Kampf um Fachkräfte
Jetzt geht erst mal nichts mehr. RTW-Geschäftsführer Horst Amann sagte dem hr: “Die Bahn hat formal recht, wir haben nicht alles leisten können.” Die RTW habe nicht alle notwendigen Planungsunterlagen und Prüf-Testate beigebracht.
Warum? Amanns einfache Antwort ist der Verweis auf den Fachkräftemangel. Planer, Prüfingenieure, die Kapazitäten für all die Abstimmungen und Genehmigungen für ein Projekt wie RTW insgesamt würden immer knapper und immer teurer.
Die etwas komplexere Antwort: Im Rhein-Main-Gebiet wird nicht nur die Regionaltangente West geplant und gebaut. Die Deutsche Bahn saniert ab Juli die Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim, die Riedbahn. Sie wird deshalb ab Juli für fünf Monate komplett gesperrt. Der Zugverkehr muss umgeleitet werden, da spielt auch der Knotenpunkt Frankfurt-Höchst eine wichtige Rolle.
Beginn des Tunnelbaus für RTW offen
Aber nicht nur das: Sowohl für die Sanierung als auch für den RTW-Bau werden Bahn-Experten aller Art händeringend gesucht. Bahn und RTW sind auf diesem Markt Konkurrenten. Deshalb klagt RTW-Geschäftsführer Horst Amann: “Wir haben Schwierigkeiten, das notwendige Fachpersonal zu bekommen.” Allerdings ist seit langem bekannt, dass die Riedbahn saniert wird. Und dass damit die DB natürlich erhebliche Kapazitäten in der Branche beansprucht, ebenfalls.
Horst Amann sagt jetzt, nach dem vorläufigen Bau-Stopp am Bahnhof-Höchst: “Das wirft uns nicht komplett aus der Bahn.” Aber ob und wann jetzt mit dem Tunnelbau im Bahnhof Höchst vor der Riedbahn-Sperrung begonnen werden kann, ist offen.
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Schienenersatzverkehr wird schneller und mehr
Der Schienenersatzverkehr für die gesperrte Bahnstrecke Bad Soden – Frankfurt Höchst ist ab 15. April verbessert. Nach RMV-Angaben vom Freitag reduziert sich die Fahrtzeit der für die RB11 halbstündlich eingesetzten Busse von 38 auf 28 Minuten. Zusätzlich werden zu den Hauptverkehrszeiten Schnellbusse mit einer Fahrzeit von 18 Minuten eingesetzt. Diese halten nicht in Sossenheim.
Die schnelleren Fahrzeiten des Schienenersatzverkehrs Bad Soden – Sulzbach – Sossenheim – Höchst werden möglich, da die Busse nicht durch Sulzbach und am Bahnhof vorbeifahren, sondern ersatzweise an der Haltestelle “Bahnstraße” an der L3266 halten. Zum Ende der Straßenbauarbeiten, voraussichtlich ab 1. Mai, werde der Busfahrplan nochmals angepasst, teilte der RMV mit.Ende der weiteren Informationen
RTW-Gesellschafter müssen Geld nachschießen
Damit nicht genug: Der Kapazitätsmangel in der Planungs- und Baubranche für Eisenbahnprojekte treibt die Preise nach oben. Das ist schon länger zu beobachten. Jetzt hat es unmittelbare Folgen für die Gesellschafter der Regionaltangente West.
Wie der hr aus verlässlicher Quelle erfahren hat, müssen die Gesellschafter frisches Geld nachschießen. Die Anteile müssten demnach verdoppelt werden. Der Grund dafür seien vor allem rapide gestiegene Kosten für Planer, Berater, Gutachter, juristische Expertise und Personalkosten der RTW intern.
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Weder die RTW-Geschäftsführung noch der Chef des Aufsichtsrates wollten die Steigerung der Gesellschafter-Eigenanteile auf hr-Anfrage kommentieren. Die Sitzungen des Aufsichtsrates seien vertraulich. Wann die Eigenanteile angehoben werden müssen, ist offen.
RTW-Aufsichtsratschef Wolfgang Siefert teilte schriftlich mit: “Richtig ist allerdings, dass derzeit alle Infrastrukturprojekte in Deutschland mit steigenden Kostenprognosen zu kämpfen haben. Ein unmittelbarer Handlungsbedarf bei der RTW besteht jedoch momentan nicht.”
Unterschiedliche Auswirkungen für Gesellschafter
Der zusätzliche Finanzbedarf würde die Gesellschafter unterschiedlich treffen. Bei einem Gesellschafter-Anteil von 1,33 Prozent sind die Stadt Neu-Isenburg (circa 39.000 Einwohner) oder die Stadt Schwalbach (circa 15.000 Einwohner) mit jeweils vier Millionen Euro zusätzlich in der Pflicht. Größter Anteilseigner ist die Stadt Frankfurt mit 33,33 Prozent. Das würde fast 100 Millionen ausmachen.
Die Frage ist: Wie wollen die Gesellschafter jeweils diese Zusatzbelastung stemmen? Das muss die Politik klären, wenn die Steigerung der Eigenanteile denn mal offen kommuniziert worden ist.
Der stellvertretende Vorsitzende des Regionalverbandes Pro Bahn für den Großraum Frankfurt, Frank Nagel, wundert sich nicht über die Kostensteigerungen bei der Regionaltangente West: “Wir müssen diese Herausforderung wie die allgemeine Preissteigerung einfach bewältigen und müssen mehr Prioritäten setzen.”
Im Zweifelsfall stehen die Kommunen und Landkreise unter den RTW-Anteilseignern dann möglicherweise vor harten Entscheidungen: Geld für die Regionaltangente oder für eine neue Kindertagesstätte?