Seit Tagen fressen sich verschiedene Brände durch Teile Kaliforniens, angefacht von starken Winden. Hunderttausende Menschen mussten aus ihren Häusern evakuiert werden, zahlreiche Gebäude fielen den Flammen zum Opfer. «Das dritte Jahr in Folge sind wir von immensen Waldbränden bedroht, doch so schlimm wie jetzt war es noch nie», sagt Tamedia-Korrespondent Walter Niederberger, der in einem der betroffenen Gebiete wohnt und fliehen musste. «Wir gehören zu den Glücklichen, die der Gefahrenzone völlig entkommen konnten und in Sicherheit sind. Das gilt für viele unserer Freunde in Sonoma nicht.»
In Sonoma County, einer Weinbauregion rund 120 Kilometer nördlich von San Francisco, ist die Lage am schlimmsten. Das dortige «Kincaid»-Feuer hat sich auf mehr als 100 Quadratkilometern ausgebreitet – grösser als die Fläche der Stadt Zürich. Rund 185’000 Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Laut der lokalen Polizei handelt es sich um «die grösste Evakuierung, an die wir uns erinnern können». Mindestens zwei Weingüter und 80 Anwesen brannten ab, rund 23’000 weitere Häuser sind bedroht.
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom verhängte am Sonntag für den ganzen US-Bundesstaat den Notstand, denn das «Kincaid»-Feuer ist nicht der einzige Brand, der die Behörden in Atem hält.
In Südkalifornien wütet das «Tick»-Feuer etwa 50 Kilometer von Los Angeles entfernt. Zwischenzeitlich mussten hier rund 40’000 Menschen ihre Häuser verlassen, Dutzende Gebäude sind zerstört oder beschädigt worden, 10’000 Bauwerke gelten als gefährdet.
Weil es zurzeit extrem trocken ist und es wenig Luftfeuchtigkeit gibt, können sich die Waldbrände weiter ausbreiten. Zudem werden sie durch «historisch» starke Winde angefacht, die bis zu 160 Kilometer pro Stunde und damit Hurrikanstärke erreicht haben.
2017, im bisher schlimmsten Jahr, gab es auch solche «El Diablo»-Winde. Allerdings hielten sie nur etwa sechs bis acht Stunden an. Heuer werden es bis zu 36 Stunden sein. «Ich bin seit 30 Jahren in diesem Geschäft und habe so etwas noch nie gesehen», sagte Steve Anderson vom nationalen Wetterdienst gegenüber US-Medien.
Bei starken Winden droht die Gefahr, dass Strommasten umstürzen oder Äste Leitungen abreissen und somit Feuer entfachen. Der Waldbrand in der nordkalifornischen Ortschaft Paradise, der im November des vergangenen Jahres 85 Menschen das Leben gekostet hat, soll durch defekte Stromleitungen verursacht worden sein.
Der Energieversorger Pacific Gas & Electric (PG&E) begann deshalb am Samstagabend damit, fast einer Million Haushalte in Nord- und Zentral-Kalifornien den Strom abzustellen. Gouverneur Gavin Newsom warf PG&E vor, die Blackouts seien das Ergebnis von «jahrelanger Gier und Missmanagement». PG&E habe es versäumt, seine Anlagen sicherer zu machen, weshalb das Unternehmen für die wirtschaftlichen Schäden aufkommen müsse.
Ein Ende der Feuersbrunst ist vorerst nicht in Sicht. Starke Windböen bieten den Flammen laut dem nationalen Wetterdienst bis einschliesslich Montag (Ortszeit) ideale Bedingungen. Dann sollten sie abflachen – nur um schon am Mittwoch oder Donnerstag wieder stärker zu werden. Ausserdem ist für die kommenden zehn Tage kein Regen angesagt, der die Situation entschärfen könnte.
Wann unser Korrespondent Walter Niederberger wieder nach Hause zurückkehren kann, ist ungewiss: «Wir haben vier Koffer mit dem Nötigsten packen können. Das ist alles, was wir haben, wenn unser Haus abbrennen sollte.»