Der Kasseler Dokumentarfilmer Klaus Stern hat einen Film über Alex Karp gemacht, CEO der Datenanalyse-Firma Palantir. Deren Software ist auch bei der hessischen Polizei im Einsatz. Wie gefährlich sind die “Datenkrake” und der exzentrische Boss?
Der nordhessische Filmemacher Klaus Stern wirft mit seinem neuen Dokumentar-Film “Watching you – Die Welt von Palantir und Alex Karp” einen Blick auf die US-Firma und ihre umstrittene Datenanalyse-Software “Gotham”. Sie wird sowohl von der hessischen Polizei als auch von der CIA genutzt, um Straftaten zu verhindern. Auch die Ukraine nutzt das Programm, um sich gegen russische Angriffe zu wehren.
Im Zentrum des Films steht der schillernde und umtriebige CEO des Unternehmens, Alex Karp. Er präsentiert sich als weltweit agierender Geschäftsmann und Kämpfer für das Gute, Hippie-Sohn und Künstler. Seine Unterstützer sehen in ihm einen Retter beim Kampf gegen Terrorismus und Straftaten.
Kritiker halten ihn für eine Gefahr für die Freiheit, weil seine Software Staaten zur Überwachung ihrer Bürger befähige. Und Karp selbst räumt ein, dass sie genutzt wird, um Menschen zu töten.
Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher Klaus Stern porträtierte bereits schillernde Persönlichkeiten wie den New Economy-Unternehmer Tan Siekmann und den Versicherungsmakler Mehmet Göker.
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Das Gespräch führte Juliane OrthEnde der weiteren Informationen
hessenschau.de: In Ihrem neuen Dokumentarfilm haben Sie sich mit Alex Karp wieder einen Charakter zwischen Wunsch und Wahn herausgegriffen. Was hat Sie an ihm gereizt?
Klaus Stern: Mich interessiert Größenwahn – Leute, die Großes wollen und damit durchkommen oder auch scheitern. Auf Alex Karp kam ich 2017 über einen Freund, den Kameramann und Dokumentarfilmer Thomas Giefer. Er erzählte mir von einem ehemaligen Protagonisten, mit dem er mal 1997 in New York gedreht habe. Der sei kürzlich auf dem Titelbild des Forbes-Magazin gewesen.
Thomas kannte ihn noch als Doktorand an der Frankfurter Uni: progressiv, lustig, ein bisschen skurril und politisch links verortet. So stellt sich Alex Karp auch heute noch da. Gleichzeitig führt er seit 20 Jahren die größte digitale Überwachungsfirma der Welt, ist auch ein großer Rüstungsunternehmer. Das steht im Widerspruch.
hessenschau.de: Man erfährt in Ihrem Film viel über Karp, obwohl es ihm immer wieder gelingt, sich dem Kamerateam zu entziehen. Trotzdem wird deutlich: Der Mann kann Menschen schnell in seinen Bann ziehen. Am Ende weiß man nicht so richtig, woran man mit ihm ist. Haben Sie Alex Karp begriffen?
Stern: Ja, ich denke schon. Mich treibt es an, nicht einfach einen Sachverhalt zu erklären, sondern eine Geschichte zu erzählen. Ich will Alex Karp nicht an die Wand nageln. Das ist mir zu einfach. Ich will den Mensch und die Geschichte mit all ihren Widersprüchen beleuchten.
“Watching you” ist ein kommentarloser Film: Es kommen Leute zu Wort, die durchaus positiv von Alex Karp erzählen und von seiner Persönlichkeit fasziniert sind.
Andere sagen, dass die Palantir-Software dazu benutzt wird, um Leute zu töten. Zum Beispiel der ehemalige CIA-Chef Michael Hayden, der klar macht: “Natürlich töten wir auf Basis von Metadaten Menschen.” Das gibt auch Karp ganz offen zu.
hessenschau.de: Wenn Sie sagen, Sie haben diesen Alex Karp in seiner Komplexität begriffen – stellen Sie ihn bitte kurz vor.
Stern: Er betont stets seine deutschen Wurzeln, dass er sehr deutsch denke und Deutschland liebe. Er begreift sich als jemand, der die Welt verbessern und Terrorismus verhindern will. Er ist der Meinung, dass das nur realisierbar ist, wenn man auf Angriff geht und nicht einfach nur abwartet, redet und verhandelt. Dass man die Polizei, die Geheimdienste mit digitalen Waffen ausstatten muss, damit der Feind abgewehrt werden kann.
hessenschau.de: Die Ukraine nutzt Software von Palantir, um sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. Doch die Datenanalyse-Software ist sehr umstritten: Unter dem Namen “HessenData” wird sie von der hessischen Polizei genutzt, um Straftaten und Terrorakte zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen in Hessen dazu als verfassungswidrig eingestuft. Wie gefährlich ist Palantir?
Stern: Ich glaube, dass schleichend versucht wird, Software von Palantir auch zur Aufklärung von minderschweren Fällen einzusetzen. Da sind die Datenanalyse-Programme durchaus für eine Gesellschaft bedenklich.
Viele werden natürlich auch sagen: Es ist eine gute Sache, wenn die Ukraine die russischen Angriffe mithilfe von Palantir abwehren kann. Soweit ich weiß, war Alex Karp der erste CEO der westlichen Welt, der 2022 in der Ukraine war, um Präsident Selenski seine bedingungslose Unterstützung anzubieten – um die Werte des Westens zu verteidigen, wie Karp sagt.
hessenschau.de: Palantir – also eine sehr zwiespältige Angelegenheit.
Stern: Man darf nicht vergessen: Palantir ist ein börsennotiertes Unternehmen. Das muss Gewinne machen. Und Karp hofft natürlich, dass er mit der Ukraine nach dem Krieg sehr gute Geschäfte machen wird. Die Firma ist inzwischen über 50 Milliarden US-Dollar wert. Dabei hat sie erst im Jahr 2023 zum ersten Mal nach 20 Jahren Gewinn gemacht. Zuvor hat Palantir Verluste von bis zu einer Milliarde US-Dollar im Jahr geschrieben.
hessenschau.de: In Ihrem Film gibt es eine Szene, die sich wie ein roter Faden durchzieht, nämlich aus dem alten Film, den Thomas Giefer mit Alex Karp gedreht hatte. Karp versucht immer wieder, sich eine Zigarre anzuzünden. Wie kamen Sie auf diese Rahmenhandlung?
Stern: Eine Zigarre anzuzünden im windigen New York – das ist ein bisschen wie eine Firma zu gründen: Du versuchst es und versuchst es, und es geht nicht, das Feuer geht immer wieder aus. Dann muss man sich einen neuen Platz suchen, um es erneut zu probieren.
Thomas erzählte mir damals schon, dass Alex wie verrückt viele Dinge betrieben hat. Damals in den 1990er Jahren hat er exzessiv Zigarren geraucht und nur die besten. Das fand ich eine tolle Metapher und eine passende Rahmenhandlung für meinen Film.