Alles muss anders werden: In dem Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ stellt Joana Georgi junge Menschen aus Berlin vor, die sich für revolutionäre Veränderung engagieren. Hat sie über den Kampf für eine soziale Utopie gesprochen.
„Niemals allein, immer zusammen“: Fünf junge Menschen mit genauen Zukunftsvorstellungen
Politik ist eine komplizierte Angelegenheit. Sie vollzieht sich in kleinen Schritten mit vielen Kompromissen, mal gibt es Fortschritte zum Besseren, dann hat man wieder den Eindruck, dass alles in die falsche Richtung geht. Fest steht, dass die Herausforderungen immens sind. Was also tun? In dem Dokumentarfilm „Niemals allein immer zusammen“ von Joana Georgi kann man fünf junge Menschen kennenlernen, die recht genaue Vorstellungen davon haben, was zu tun ist. Quang, Simin, Patricia, Feline und Zaza engagieren sich. Sie alle haben ihre Aktivitätsfelder, gemeinsam haben sie vor allem eines: sie wollen mehr als nur das mühselige Aushandeln, von dem die parlamentarische Demokratie mit einer Reihe von Mittel- und Kleinparteien geprägt ist.
Sie gehen politisch aufs Ganze. „Das sind alles junge revolutionäre Aktivist:innen mit einem marxistischen Hintergrund, die aber in verschiedenen Bewegungen organisiert sind“, beschreibt Joana Georgi die Protagonist:innen in ihrem Film. Wir treffen uns im Wedding, in einem Café hinter der Pankstraße. Für ein paar Minuten probieren wir es im Garten, aber der Wind zwingt uns dazu, das Gespräch nach drinnen zu verlegen.
Der Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ begleitet fünf junge Menschen bei ihrem Kampf für eine bessere Welt. Foto: Neue Visionen
„Ich glaube, der Ruf wird lauter unter der jungen Generation, dass man langfristige und fundamentale Veränderungen braucht“, erläutert Joana Georgi einen gemeinsamen Nenner ihres Films. „Der Ruf nach einer revolutionären Partei wird lauter.“ Eine Revolution, das wäre ein kompletter Umsturz der Verhältnisse, eine neue Form, das Zusammenleben zu organisieren. Zum Beispiel ein Zusammenleben ohne Polizei. Simin Jawabreh, die sich in der migrantischen Bewegung engagiert, vertritt diese Forderung: Abschaffung der Polizei. Auch Joana Georgi wünscht sich eine Welt ohne Polizei. Sie hat beim G20-Gipfel im Hamburg 2017 hautnah erlebt, wie hart die Einsatzkräfte gegen Demonstrierende vorgingen.
Regisseurin Joana Georgi: „Marxistische Perspektive auf die Welt schulen“
Vor neun Jahren kam sie aus Hessen nach Berlin, schon damals in den Wedding, wo sie eine Tante hat, zu der sie in der Pubertät engere Beziehungen knüpfte. Auch ein Jugendbuch von Klaus Kordon spielte eine Rolle, damals las Joana Georgi zum ersten Mal von der linken Alltagskultur im Wedding in den 20er und 30er Jahren. Sie belegte Kulturwissenschaften an der HU und beteiligte sich an der Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften. Es ging um die Wiedereinstellung des Urbanisten Andrej Holm, der zu einer Identifikationsfigur für eine neue Linke wurde. „Damals begann ich, meine marxistische Perspektive auf die Welt zu schulen“, erzählt Joana Georgi.
Die Idee zu ihrem Film beschreibt sie als eine „Trotzreaktion auf vieles: auf die Hoffnungslosigkeit nach der Pandemie, und darauf dass der linke Journalismus immer prekärer wird“. An der unabhängigen Schule filmArche hatte sie Erfahrungen gesammelt, nun stürzte sie sich ins Wagnis, unterstützt von Freund:innen: „Es hat sehr Spaß gemacht zu drehen, aber wir hatten alle Phasen, wo wir kurz vorm Burnout waren. Film ohne Gelder zu machen ist scheiße.“
„Niemals allein immer zusammen“ deutet schon mit seinem Titel eine soziale Utopie an. Sie wird von Joana Georgi und ihrem Kreis auch konkret gelebt, im Alltag, auf Demos, auch in den sozialen Netzwerken. Neulich hat Instagram das Plakat für den Film abgelehnt, vermutlich, weil Karl Marx darauf zu sehen ist. In solchen Widrigkeiten zeigen sich auch die Systemzwänge, in denen wir leben. Dazu die Mieten und eine Berliner Politik, die einen Volksentscheid bewusst verschleppt. Und der Klimawandel sowieso. Die Aufgaben türmen sich. „Wir sind mit Krisen aufgewachsen“, konstatiert Joana Georgi. Aber Resignation ist keine Option. „Mein Hoffnung kommt von linken Organisationsstrukturen in ganz Berlin, von der Menschlichkeit und Liebe, die ich dort erlebe.“