Das künftige Ermittler-Duo des Frankfurter Tatorts ist auf fiktive Cold Cases spezialisiert. Doch worauf kommt es dabei in Wirklichkeit an? Und was macht diese Fälle so faszinierend? Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger und hr-Gerichtsreporterin Heike Borufka berichten.
Es war der Fall Johanna Bohnacker, der den Gießener Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger dazu brachte, sich auf Cold Cases zu spezialisieren – also auf ungeklärte alte Kriminalfälle. Für ihn war es eines der schlimmsten von rund 300 ungeklärten Tötungsdelikten in Hessen.
Nachdem die Leiche des achtjährigen Mädchens 1999 in Ranstadt-Bobenhausen (Wetterau) gefunden wurde, brauchte es weitere 16 Jahre, um einen Tatverdächtigen zu identifizieren.
16 Jahre – eine Zeit, in der Täter erneut gefährlich werden könnten. “Deswegen ist es wichtig, dass sie auch nach zehn oder 20 Jahren gefasst werden”, erklärt Hauburger.
Mord verjährt nicht
Außerdem verjährt Mord nie – hier sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet zu ermitteln. Aber Prävention von weiteren Gewaltdelikten ist nicht nur ein Punkt, der bei der Aufklärung von Altfällen wichtig ist.
Ein anderer ist, dass Aufklärung Rechtsfrieden schafft und den Hinterbliebenen Genugtuung gibt. Das hat Hauburger auch im Fall Bohnacker miterlebt. “Das Leid war aus den Akten heraus zu spüren”, sagt der Oberstaatsanwalt.
Das habe ihn motiviert, den Fall im Jahr 2016 wieder anzufassen – damals geriet ein Mann ins Visier der Ermittelnden, der eine 14-Jährige in einem Maisfeld gefesselt hatte.
“Eine Reise in die Vergangenheit”
Wenn ein Fall wiederaufgenommen wird, schauen die Ermittelnden in den Akten nach offenen Spuren wie DNA- oder Fingerspuren. Thomas Hauburger nennt solche Ermittlungen “eine Reise in die Vergangenheit mit kriminaltechnischen Instrumenten aus der Gegenwart”. Im Fall Johanna wurde unter anderem der Inhalt von 200 Aktenordnern digitalisiert, Gutachten und Einschätzungen völlig neu bewertet.
Die Ermittelnden haben heute mehr technische Möglichkeiten als früher, sagt der Oberstaatsanwalt. Über eine Fingerspur auf einem Klebeband wurde Johannas Mörder letztendlich identifiziert und 2018 verurteilt.
Soziale Medien haben Vor- und Nachteile
Auch Social Media könne einen positiven Aspekt haben, wenn es um öffentliche Fahndungen geht. Das große Interesse an True Crime ermögliche es den Ermittelnden, ihre Arbeit transparent zu machen. Allerdings gerieten dadurch auch immer wieder Opfer und ihre Familien neu in den Blick der Öffentlichkeit.
Thomas Hauburger sagt, dass er sich deswegen immer mit den Angehörigen abspreche, bevor er beispielsweise in Dokumentationen über seine Fälle rede. Seine Interviews sollen die Angehörigen nicht retraumatisieren, versichert er.
“Wir achten nicht auf den Grusel”
Heike Borufka kennt diese Problematik. Sie ist Gerichtsreporterin beim hr und hostet den True Crime Podcast “Verurteilt”. Darin spricht sie gemeinsam mit dem YouTuber Basti Red über echte Kriminalfälle, darunter mitunter auch Cold Cases.
Für sie gibt es keine Grenzen in der Berichterstattung, denn immer gelte: Die Würde des Menschen ist unantastbar. “Wir achten auf die Persönlichkeitsrechte und nicht auf den Grusel – sowohl für die Opfer als auch für die Täter”, sagt sie.