Die Pannenserie bei den Wasserstoffzügen im Taunusnetz nimmt kein Ende. Der Rhein-Main-Verkehrsbund kritisiert Zughersteller Alstom. Der Landrat des Hochtaunuskreises spricht bereits von einer “Aufkündigung” des Vertrages.
In Bezug auf die störanfälligen Wasserstoffzüge im Taunusnetz hat der Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs (CDU), den Hersteller der Züge, Alstom, deutlich kritisiert:
“Wir erwarten, dass Alstom sämtliche Kosten für Ausfälle, Ersatzverkehre und alternative Fahrzeuge trägt”, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung. “Es muss klar sein: Hält die andauernde Nichtverfügbarkeit der Fahrzeuge an, kommt auch eine Aufkündigung des Vertrags mit den Brennstoffzellenfahrzeugen in Betracht.”
Eingeschränkte Funktionalität
Die Geduld scheint aufgebraucht im Nahverkehrs-Dauerdrama um die Wasserstoffzüge im Taunusnetz des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV). Erst konnte Hersteller Alstom nicht rechtzeitig die versprochene Anzahl an Schienenfahrzeugen liefern, dann führten technische Probleme immer wieder zu Ausfällen.
Seit Mittwoch gilt im Taunusnetz nun wieder ein ausgedünnter Notfahrplan mit Kurzzügen und Schienersatzverkehr. Diesel und Asphalt statt Wasserstoff und Schiene. Einmal mehr stehen nicht genug Fahrzeuge zur Verfügung, um den Regelbetrieb aufrechtzuerhalten.
Die beiden Gründe laut Alstom: Materialengpässe bei Ersatzteilen und eine eingeschränkte Funktionalität einzelner Brennstoffzellen.
Keine grundsätzlichen Zweifel an der Technik
Die Ursachen für Materialengpässe sind in den letzten Jahren in allen Industriebereichen ähnlich: gestiegene Rohstoffpreise und Nachschubprobleme infolge des anhaltenden Kriegs in der Ukraine.
Der zweite Teil der Alstom-Begründung verweist auf ein tieferliegendes Problem – nämlich darauf, dass die Antriebstechnick “offenkundig grundlegend unzuverlässig” ist, wie es Landrat Krebs in seiner Pressemitteilung formuliert.
Ähnlich klingen die Verlautbarungen des RMV. Schon am Montag, als der Notfahrplan bekannt gegeben wurde, kritisierte Knut Ringat, Geschäftsführer des RMV, dass Alstom es “entgegen anderslautender Zusagen” bislang nicht geschafft habe, “die Wasserstoffzüge dauerhaft zuverlässig auf die Schiene zu bringen”.
Noch deutlicher wird RMV-Prokurist Kai Daubertshäuser im Gespräch mit dem hr: “Wir sind selbst extrem erbost und mittlerweile sehr enttäuscht von dem, was Alstom uns da abliefert.” Grundsätzlich gehe man davon aus, dass die Technik alltagstauglich sei. “Wo uns mittlerweile natürlich schon berechtigterweise Zweifel kommen, ist an der Technik, die Alstom hier bislang umgesetzt hat.”
Fahrgastverband sieht Mitschuld beim RMV
Die Schuldfrage scheint also geklärt. Sowohl Politik als auch der RMV als Vertragspartner von Alstom verweisen auf den Hersteller. Und auch Alstom selbst gibt sich kleinlaut und bedauert die “Einschränkungen für die Fahrgäste, den RMV und das Bahnunternehmen Start außerordentlich”.
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht derweil auch Versäumnisse beim RMV. Der Regionalverband Großraum Frankfurt erinnert in einer Stellungnahme daran, dass die Wasserstoff-Flotte durch die RMV-Tochter Fahma angeschaftt wurde. Diese sei als Eigentümerin “im Störfall somit zuständig für die Bereitstellung von Ersatzfahrzeugen zur Gewährleistung eines uneingeschränkten Fahrbetriebes”.
Der RMV beziehungsweise sein Tochterunternehmen jedoch hätten die angeschafften Fahrzeuge im Vorfeld weder ausreichend getestet noch einen “Plan” B für den Fall, dass die Flotte ausfällt, entwickelt. Das “Desaster”, so Pro Bahn, dürfe auch “für die RMV-Geschäftsführung nicht folgenlos” bleiben.
RMV-Prokurist Daubertshäuser verweist darauf, dass die Alstom-Fahrzeuge sehr lange in der Entwicklung gewesen und “relativ lange getestet” worden seien. Dennoch habe man sich “natürlich was ganz anderes vorgestellt”.
Alstom muss Ersatzverkehr bezahlen
Die Haltung des RMV ist klar. Der über 30 Jahre laufende 500 Millionen-Euro-Vertrag verpflichtet Alstom, ausreichend Fahrzeuge für einen geordneten Betrieb des Taunusnetzes zur Verfügung zu stellen. Geschieht dies nicht, stehen Sanktionsmechanismen zur Verfügung. Einige setzt der RMV eigenen Angaben zufolge bereits ein.
So sei bereits 2023 ein Großteil der Zahlungen für Instandhaltungen an Alstom nicht geleistet worden. Auch 2024 werde entsprechend gekürzt. Alstom müsse zudem Ersatzfahrzeuge stellen und, sollte dies nicht möglich sein, die Kosten für den Schienenersatzverkehr übernehmen.
Keine Dieselzüge mehr im Angebot
Die Fahrgäste haben davon allerdings erst einmal nichts. Denn die Wasserstoffzug-Misere wird wohl noch mindestens bis 2025 anhalten. Zwar beteuert Alstom, zusätzliches Werkstattpersonal eingestellt, sowie Hard- und Software erneuert zu haben. Das Modernisierungsprogramm für die Flotte wird jedoch erst im nächsten Jahr abgeschlossen.
Ein zusätzliches Problem: Ersatzfahrzeuge älteren Typs sind ebenfalls nicht leicht zu beschaffen. Der RMV bemüht sich eigenen Angaben zwar händeringend um Nachschub, jedoch sei dieser derzeit kaum zu bekommen. “Es ist so, dass mittlerweile keiner der großen Hersteller mehr wirklich Fahrzeuge mit Dieselzüge im Angebot hat”, erklärt Daubertshäuser.