Do. Nov 7th, 2024

Mit einem Schnupfen ein paar Stunden arbeiten und dann wieder ins Bett? FDP und Grüne suchen wegen der hohen Krankenstände nach einer Lösung. Doch die Umsetzung der »Teilzeit-Krankschreibung« dürfte kompliziert sein.

Die große Erkältungswelle ist zwar noch nicht da, die Zahl der Krankschreibungen hat trotzdem bereits einen Höchststand erreicht. Um den Schaden für die Wirtschaft zu lindern, hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt nun vorgeschlagen, Krankschreibungen bei kleineren Infekten für nur einige Stunden am Tag auszustellen. Durch das Homeoffice könnten auch bei leichter Erkrankung berufliche Aufgaben im begrenzten Umfang umgesetzt werden, sagte Reinhardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Gesundheitspolitiker von FDP und Grünen finden den Vorschlag gut.

»Teilzeit-Krankschreibungen könnten in Zukunft eine alternative Form der Krankschreibung für bestimmte Krankheitsbilder darstellen«, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag Andrew Ullmann dem SPIEGEL. »Mitarbeitende könnten sich dadurch früher wieder – zumindest teilweise – einbringen, was die Gesamtdauer ihrer Abwesenheit verkürzt.« Das würde der betrieblichen Produktivität helfen und verringere den Druck auf Kolleginnen und Kollegen, die sonst längere Zeit vertreten müssten. »Diese Regelung passt sich den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt an, in der oft auch von zu Hause aus gearbeitet werden kann, und könnte so eine bessere Balance zwischen Erholung und beruflicher Einbindung ermöglichen«, findet Ullmann.

Janosch Dahmen, bei den Grünen zuständig für Gesundheitspolitik, kann sich eine solche Maßnahme ebenfalls vorstellen. »Gesundheit besteht ja nicht aus ‘ganz oder gar nicht’; es kann medizinisch sinnvoll sein, Menschen zum Beispiel nach einer Erkrankung zunächst in begrenztem Umfang oder leidensgerecht nur in bestimmten Bereichen oder Tätigkeiten einzusetzen«, sagte Dahmen dem SPIEGEL. »Politisch ist klar, dass solche Regelungen weder zulasten des Arbeitsschutzes und der Beschäftigten noch der Betriebe – etwa durch zusätzliche Bürokratie oder unklare Finanzierung – gehen dürfen. Was medizinisch vernünftig klingt, steht deshalb in der Praxis tatsächlich vor vielen bisher ungeklärten Fragen.«

In skandinavischen Ländern gibt es bereits seit Jahrzehnten Teilkrankschreibungen. Schweden will dadurch die Höhe der Arbeitsunfähigkeit gesenkt haben. Das Bundesgesundheitsministerium hatte 2018 einen Bericht vorlegt, der prüfen sollte, ob sich das Modell auf Deutschland übertragen lässt. In dem Bericht sprachen sich Experten grundsätzlich für eine solche Regelung aus. Die Bedenken waren allerdings größer. Besonders schwierig sei die Beurteilung des Grades der Arbeitsfähigkeit durch Ärztinnen und Ärzte. Außerdem wird das schwedische Gesundheitssystem grundlegend anders finanziert, als das deutsche.

Die vielen Fehlzeiten haben in Deutschland bereits zu einer Debatte über die telefonische Krankschreibung geführt. So hatte etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) und das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft verlangt, diese neu eingeführte Option wieder einzuschränken. Krankenkassen und Ärzte wehrten sich. Der hohe Krankenstand habe andere Gründe. Einer könnte etwa die bessere statistische Erfassung der Krankmeldungen durch Digitalisierung sein.

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