Nach der Unwetterkatastrophe mit mindestens 95 Toten wird in Spanien die Suche nach Leichen, Vermissten und von der Außenwelt abgeschnittenen Menschen in der Nacht fortgesetzt. »Wegen der Dunkelheit müssen allerdings viele Aktivitäten bis Tagesanbruch unterbrochen werden«, sagte der Leiter der Notfallabteilung des spanischen Roten Kreuzes, Iñigo Vila, am Abend dem staatlichen Fernsehsender RTVE.
Unter den Toten sind laut spanischen Medienberichten mindestens vier Kinder und sechs alte Menschen in einem Pflegeheim. Befürchtet wird, dass die Opferzahl weiter ansteigt. Eine offizielle Gesamtzahl der Vermissten lag nicht vor. Hilfe benötigten auch Tausende Menschen, die in Fahrzeugen, Häusern und Dörfern ausharrten.
Drei Tage Staatstrauer ab Donnerstag
Besonders schlimm ist die Lage in der bei Urlaubern sehr beliebten Region Valencia, wo 92 der insgesamt 95 bislang bestätigten Todesopfern geborgen wurden. Schwer betroffen sind aber auch andere Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha.
Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte in einer Fernsehansprache, »wir können nicht davon ausgehen, dass diese katastrophale Episode schon beendet ist«. Er rief die Bewohner dazu auf, sich vorsichtig zu verhalten.
Sánchez habe mit König Felipe VI. gesprochen und ihn darüber informiert, dass ab Donnerstag eine dreitägige Staatstrauer gelte, sagte Territorial-Minister Torres. Der König sprach den Angehörigen der Opfer im Onlinedienst X sein Beileid aus und dankte den Einsatzkräften für ihre »titanischen« Anstrengungen.
Noch 1200 Menschen stecken in ihren Autos fest
In der Nacht waren zahlreiche Autobahnen und Landstraßen weiter unbefahrbar. Auch der Bahnverkehr wurde erheblich beeinträchtigt. Rund 115.000 Haushalte waren ohne Strom, zudem gab es weiter Probleme mit den Handyverbindungen. Ein Sprecher der Polizeieinheit Guardia Civil schätzte am Abend, dass auf den Autobahnen A3 und A7 noch 1200 Menschen in Autos, Bussen oder Lastwagen gefangen seien. Es gebe aber auch viele, die ihre Fahrzeuge nicht verlassen wollten, hieß es. Demnach steckten in Valencia 5000 – teils von Fahrern und Passagieren verlassene – Fahrzeuge fest.
Auch in Zügen, Häusern, Büros, Schulen und Einkaufszentren sind seit Dienstagabend viele Tausende Menschen eingeschlossen. Andere suchten auf Dächern von Autos oder Häusern Schutz. Sie wurden am Mittwoch von Tausenden Einsatzkräften des Militärs, des Zivildienstes, der Feuerwehr und der Polizei zum Teil unter Einsatz von Hubschraubern und Booten in Sicherheit gebracht.
Einsatz- und Rettungskräfte überwältigt
Was hat die Tragödie ausgelöst? Bei extrem starkem Niederschlag – mancherorts fiel innerhalb von einem Tag so viel Regen wie sonst in einem Jahr – waren am Dienstag immer mehr Flüsse über die Ufer getreten. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem »historischen Unwetter«, dem schlimmsten solcher Art in diesem Jahrhundert in der Region Valencia.
Zudem mussten Dutzende Arbeiter in Ribarroja de Turia wegen der Fluten über Nacht in einem Industriekomplex ausharren. »Die Einsatz- und Rettungskräfte waren überwältigt. Es waren so viele Orte betroffen, dass sie es nicht überall hingeschafft haben«, sagte die Stadträtin Esther Gómez der AFP.