Mo.. Dez. 30th, 2024
Obwohl der Klassenerhalt rechnerisch weiter möglich ist, wird die Bundesliga-Zeit von Darmstadt 98 nach dieser Saison enden. Der Abstieg ist die Quittung für ein Potpourri aus Fehlern und Unzulänglichkeiten. Es musste so kommen.

Torsten Lieberknecht war am Samstagabend noch nicht bereit, auf die Gründe für den nahenden Abstieg von Darmstadt 98 einzugehen. Wenige Minuten nach Abpfiff der 0:4-Schmach im Kellerduell beim 1. FSV Mainz 05 war das durchaus verständlich, die Emotionen und Gedanken müssen in so einer Situation erst einmal sortiert werden. “Da jetzt in die Tiefe zu gehen, fällt mir schwer”, sagte Lieberknecht. “Es kommen viele Aspekte zusammen.” Allerdings.

Zwei davon nannte Lieberknecht trotz seines selbst aufgesetzten Klartext-Maulkorbs auf der Pressekonferenz dann sogar doch noch selbst. Der Abgang von Torjäger Philipp Tietz im Sommer zum FC Augsburg, das deutete Lieberknecht an, habe eine sportliche Lücke gerissen und die Euphorie innerhalb des Teams gebremst. Der Abgang von Ex-Manager Carsten Wehlmann im Winter habe den Verein vor große Probleme gestellt und völlig unvorbereitet getroffen.

Tietz, dem Lieberknecht keinen Vorwurf machte, und Wehlmann, auf den Lieberknecht nicht mehr gut zu sprechen ist, haben sicher ihren Anteil an der Misere. Beide stehen dabei aber auch sinnbildlich für tiefgreifendere Probleme.

Problem Nummer eins: der Kader

Die sportliche Qualität, die durch den Abschied von Torjäger Tietz noch einmal erheblich verschlechtert wurde, reichte letztlich einfach nicht aus, um in der Bundesliga zu bestehen. Die Lilien, und damit allen voran Kaderplaner Wehlmann, setzten bei der Zusammenstellung auf Perspektive und Entwicklungspotenzial. Dass im Gegensatz zu früheren Zeiten Erfahrung bei der Suche nach neuen Spielern nur eine untergeordnete Rolle spielte, war ein klarer Fehler. Dass von den zahlreichen Sommer-Neuzugängen zudem nur Tim Skarke eine echte Verstärkung war, spricht nicht für gutes Scouting.

Problem Nummer zwei: zu viel Unruhe

Schon vor Anpfiff des ersten Bundesliga-Spiels war klar, dass Darmstadt 98 nur mit einer perfekten Saison eine realistische Chance auf den Klassenerhalt haben würde. Team, Fans und Verein hätten zu einer Symbiose verschmelzen und den Aufstiegsschwung nutzen müssen. Allein: Es kam anders.

Der Abschied von Tietz dämpfte die Aufbruchstimmung, es folgten zahlreiche Platzverweise, hin und wieder auch Pech mit dem Schiedsrichter, immer wieder seltsame und überzogene Kritik an den Unparteiischen und zu viele Verletzungen. Als sich die Lilien im Winter noch einmal neu sammeln und durchstarten wollten, machte sich dann Wehlmann aus dem Staub. Dass er das, wie Lieberknecht erklärte, zwei Tage nach einer neunstündigen Kadersitzung tat, ist ein fragwürdiges Vorgehen, passte aber genau in das Bild dieser Saison.

Bei den Lilien, die dann auch noch mehr als vier Monate brauchten, um einen Nachfolger für Wehlmann zu finden, herrschte auf und abseits des Platzes einfach zu großes Chaos. So konnte das nix werden.

Problem Nummer drei: Anspruchshaltung

Bei allerlei externen Einflüssen gab es definitiv aber auch interne Schwingungen, die diese Spielzeit negativ beeinflussten. Da die Lilien immer wieder betonten, wie groß der finanzielle Abstand zu den anderen Teams sei, bekam man das Gefühl, dass diese absolute Underdog-Rolle zu sehr in den Köpfen der Spieler verankert war und hin und wieder auch als Entschuldigung genommen wurde. Bestes Beispiel: Während es bei Mitaufsteiger Heidenheim beim Halbzeit-Stand von 0:2 gegen den FC Bayern in der Kabine rauchte, wirkten die Darmstädter nach der 2:5-Niederlage gegen die Münchner oder vergleichbaren Spielen durchaus zufrieden. Hätte ja auch schlimmer kommen können.

Das gleiche Gefühl machte sich zu oft im Stadion am Böllenfalltor breit. Dass es erst eine 0:6-Klatsche gegen Augsburg brauchte, um die Darmstädter Fanseele zum Kochen zu bringen, ist angesichts von gerade einmal zwei Saison-Siegen schon erstaunlich. Die Ehrfurcht vor der Bundesliga war zu oft zu groß.

Um es klarzustellen: Die Lilien waren und sind der krasse Außenseiter, der Abstieg ist absolut keine Schande. Es bleibt aber der Nachgeschmack, dass bei etwas mehr Keckheit mehr drin gewesen wäre. Kapitän Fabian Holland gab am Samstag in Mainz zu, dass das Team im entscheidenden Spiel nicht an die Leistungsgrenze gekommen war und bestätigte damit diesen Eindruck. Die Lilien waren zu brav und zu demütig.

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