So. Dez 22nd, 2024

Nach fast einem Vierteljahrhundert im Dienst der Berlin Biennale gibt Direktorin Gabriele Horn den Staffelstab weiter: an Axel Wieder, einst Mitgründer der Berliner Buchhandlung Pro qm. Horn und Wieder sprachen im Videointerview mit tipBerlin-Redakteurin Claudia Wahjudi über das Erreichte und die Risiken der nahen Zukunft. Axel Wieder schaltet sich von seinem alten Arbeitsplatz dazu, dem Direktorenzimmer der Kunsthalle im norwegischen Bergen dazu, Gabriele Horn aus dem Büro der Berlin Biennale im Dachgeschoss der KW, der Kunst-Werke in der Berliner Auguststraße.

Gabriele Horn Sorge kann die kulturpolitische Lage bereiten. Wie gehen wir mit den besonderen Herausforderungen eines derart großen Projektes um, dessen Realisierung zum Beispiel von Boykott begleitet sein kann? Und wie können wir unseren Ansatz von Experimentierfreudigkeit, Risiko und Diskursoffenheit bewahren?

d01news.com Kurator:innen und Künstler:innen erhalten Aufmerksamkeit und oft Lob, die Direktion hält im Hintergrund den Apparat zusammen. Aber wenn Fehler passieren, muss die Direktion geradestehen und im Zweifelsfall zurücktreten, siehe documenta. Warum wollen Sie diese Aufgabe übernehmen, Herr Wieder?

Axel Wieder (lacht) Strategien und Rahmenbedingungen für solch eine große Ausstellung finde ich als Aufgabe sehr interessant. Ich komme ursprünglich aus dem freien, projektbezogenen Arbeitsfeld, später habe ich in Leitungsfunktion an Institutionen gearbeitet. Da ging es dann neben dem Inhalt auch um Vermittlungsfragen und Arbeitsstrukturen, um den Gestaltungsspielraum Institution. Das hat nicht nur mit Bürokratie zu tun, das verstehe ich auch als kreatives Arbeitsfeld.

d01news.com Was bringen Sie da von Ihren vorigen Stationen mit?

Axel Wieder Vor Bergen habe ich unter anderem in England gearbeitet. An den Kunsthäusern dort waren Programme für Schulen und Jugendliche extrem wichtig. Das kann man durchaus kritisch sehen, etwa, wenn Kultureinrichtungen Aufgaben der Sozialpolitik übernehmen sollen, ohne den Freiraum der Kunst erhalten zu können. Aber es war auch toll zu sehen, wie nützlich die Häuser für die Gesellschaft sein können. Und die Kunsthalle hier in Bergen kennen alle in der Stadt. Jeder in Bergen kommt in seiner schulischen Laufbahn einmal bei uns vorbei und weiß ungefähr, was wir machen.

d01news.com Sie haben vorhin mit dem Bildschirm zum Fenster geschwenkt, da war das blaue Meer zu sehen. Wie hat sich im Norden Ihre Sicht auf die Welt verändert?

Axel Wieder Die Arbeitsbedingungen für Kultur sind hier top, aber das ist auch nicht der Weg, der alles für uns löst. Manchmal vermisse ich eine Bereitschaft zu Konflikten und eine kontroverse Diskussionskultur, die ja auch produktiv für Kunst und Kultur sein kann.

Berlin Biennale: Permanentes Krisenmanagement

d01news.com Frau Horn, die Kontroverse hat sich hier mit dem Krieg in der Ukraine, dem Attentat der Hamas und dem Krieg in Gaza hoch emotionalisiert. Wie lässt sich da eine internationale, politische Ausstellung, die viel Aufmerksamkeit erfährt, organisieren?

Gabriele Horn Wir stecken in einem permanenten Krisenmanagement. Trotzdem müssen wir mit einer gehörigen Portion Sensibilität versuchen, Räume für Dialoge offen zu halten. Und im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, dass wir wieder in der Lage sind, Konflikte miteinander zu verhandeln. Da muss man mit den Beteiligten im Vorfeld den Dialog suchen.

Axel Wieder Gespräche führen, öffentlich veranstalten – in aller Vorsicht und mit Rücksicht auf Sensibilitäten. Aber die Konflikte muss man ernst nehmen. Man kann sie nicht unsichtbar machen.

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